erschienen in BONSAI ART 185

Gerade aus Japan oder China fazinieren uns die unterschiedlichsten Schalenmotive. Doch was bedeuten sie, was stellen sie dar? In dieser Rubrik wollen wir die Geschichte hinter den Darstellungen beleuchten.

 

 

LibelleEine schwarze Satsuma-Schale mit der typisch vereinfachten Darstellung einer Libelle.
Diese Libellendarstellung findet man auch als Muster auf Stoffen

 

 

In Japan gelten Libellen seit jeher als Nützlinge, die schon als Larven Schädlinge auf den Reisfeldern fressen. Während die Libelle heute in Japan geläufig als „Tonbo“ bezeichnet wird, gibt es noch viele weitere Namen aus verschiedenen Jahrhunderten und Dialekten. Sie leiten sich von Bezeichnungen wie „fliegender Stock“, „fliegendes Ohr“ oder „fliegender Flügel“ ab. Ein weiterer alter Name ist Akitsu/Akitzu. Laut der alten japanischen Chroniken Nihon Shoki and Kojiki stieg der damalige erste Kaiser Jinmu (7. Jahrhundert v. Chr.) auf einen Berg und befand, dass die japanische Hauptinsel Honshu der gekrümmten Paarungsform von Libellen ähnelt. Daher war Japan lange unter dem Namen „Akitsushima“ (Libelleninsel“)
bekannt.

Wegen der Annahme, dass Libellen sich immer nur vorwärts bewegen, betrachteten die Japaner die Libelle als Symbol für den Mut, immer weiterzugehen und nicht zurückzuweichen. Aus diesem Grund waren Libellenmotive auch bei den Samurai sehr beliebt. Libellen fanden sich als Verzierung auf
ihren Helmen, Köchern, Rüstungen und Waffen. Aus Bambus geschnitzte Libellen sind außerdem schon seit Jahrhunderten ein typisches japanisches Kinderspielzeug. Durch die lange Geschichte und Liebe Japans zu Libellen gibt es auch heute noch viele Redewendungen die sich auf Libellen beziehen oder Begriffe, die „Tonbo“ im Namen tragen.

 

 

LibelleIm Westen findet man detaillierte Darstellungen von Libellen.
Hier eine Schale aus Großbritannien von Walsall Studio Ceramics

 

Während die Libelle in Japan sehr positiv besetzt ist, herrschte in Deutschland und Europa lange der Irrglauben, Libellen seien giftig und könnten stechen. Aus diesem Grund wurden sie lange gefürchtet, obwohl sie niemals angreifen, eher scheu sind und flüchten. Waren Libellen in der germanischen Mythologie der Göttin Freya oder Frigg zugeordnet und heilig, kehrten christliche Missionare die Bedeutung um. Der Freitag, der Freya gewidmet war, wurde zu einem Unglückstag erklärt, die Libellen zu
„Teufelsnadeln“, „Teufelsbolzen“ oder „Augenstechern“. Das Englische „Dragonfly“ leitet sich vom romanischen „drac“ ab, was sowohl Teufel wie auch Drache heißen kann. Durch die Geschichte von Saint George, dessen Pferd vom Teufel verflucht wurde und sich in ein großes fliegendes Insekt verwandelte, wurde aus „Devil‘s Horse“ oder „Devil‘s Fly“ mit der Zeit „Dragonfly“.
Spätestens mit dem Beginn des Japonismus Ende des 19. Jahrhunderts und der vermehrten Beschäftigung mit der japanischen Kultur, begann man die Libelle auch in Europa in einem positiveren Licht zu sehen und sie wurde ein gängiges Motiv in der bildenden Kunst. (CH)